In Zusammenarbeit mit der Marx-Engels-Gesamtausgabe
Die Teilnehmer begaben sich in dieser Staffel auf das Abenteuer der Originallektüre dieses anspruchsvollen Textes. Im Mittelpunkt stand die eingehende und behutsame Annäherung an den Marxschen Wortlaut selbst. Jenseits der medialen Befragung des „Kapital“ auf unmittelbare „Handlungsanweisungen“ in Zeiten der Krise arbeitete das Schülerlabor das kritisch-analytische Potential des Werkes heraus. Neben diesem inhaltlichen verfolgte es ein wissenschaftsmethodisches Interesse. Exemplarisch untersuchten die Schülerinnen und Schüler den komplexen Entstehungsprozess des Werkes und machten sich mit philologischen Methoden wie Handschriftentranskription und Kommentierung vertraut. Darüber hinaus nahm die Veranstaltung auf die reiche, ästhetische Wirkungsgeschichte des „Kapital“, v. a. Projekte filmischer Umsetzung von Sergej Eisenstein (1927) bis Alexander Kluge (2008), Bezug.
In Zusammenarbeit mit den Deutschen Texten des Mittelalters
Am Beispiel eines „klassischen“ Liedes des frühen 13. Jahrhunderts erhielten die Schülerinnen und Schüler eine Einführung in die Überlieferung der älteren deutschen Literatur – und die Herausforderungen, vor die sie den heutigen Leser stellt. Sie lernten einige der großen Prachtcodices kennen, verglichen verschiedene Textzeugen miteinander und erstellten schließlich ihre eigene „kritische“ Edition des Gedichts. Indem sie das philologische „Handwerk“ in seinen verschiedenen Arbeitsschritten nachvollziehbar machte, verfolgte die Veranstaltung das Ziel, das Methodenbewusstsein der Teilnehmer zu schärfen und sie für den Konstruktcharakter von Texten zu sensibilisieren. Den inhaltlichen Schwerpunkt bildete der Dichter Walther von der Vogelweide (1170–1230), der insbesondere als Vollender des Minnesangs vorgestellt wurde. Voraussetzung zum Verständnis dieser Gattung als „Repräsentationskunst“ ist die Berücksichtigung ihres höfischen Entstehungs- und Aufführungsrahmens. Die Lektüre eines Minneliedes wurde im Schülerlabor daher mit der Rekonstruktion von Walthers Werdegang als fahrender Sänger und Exkursen zur sozialen und politischen Lage im damaligen deutschen Reich verschränkt.
In Zusammenarbeit mit dem Corpus Coranicum
Eine besondere Herausforderung dieser Workshop-Reihe war es, den intertextuellen Ansatz des Corpus Coranicum zu vermitteln und den Koran auch für Jugendliche ohne religionshistorisches Vorwissen in seiner impliziten Dialogstruktur, als Entgegnung auf die unter den Zuhörern Mohammeds kursierenden religiösen Botschaften jüdisch-christlichen Ursprungs lesbar zu machen. Gezeigt wurde ferner, was Hermeneutik zur Versachlichung der Diskussion um diesen umstrittenen Text beitragen kann. Dass ein Dokument wie der Koran legitimer Gegenstand historisch-kritischer Forschung ist, ohne dass dies Pietät, Achtung vor den religiösen Überzeugungen der Gläubigen ausschließt: diese Einsicht bildete für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen wesentlichen Ertrag der Veranstaltung.
In Zusammenarbeit mit dem Corpus Medicorum Graecorum / Latinorum
Diese Staffel drehte sich um einen der großen Texte der abendländischen Überlieferung, der die Ethik ärztlichen Handelns bis heute prägt: den sog. Hippokratischen Eid. Trotz seiner umfangreichen Rezeptionsgeschichte gibt dieser der Forschung nach wie vor Rätsel auf. Umstritten sind u. a. Autorschaft, Geltungsbereich und Datierung sowie die kulturhistorische Einordnung und Deutung weiter Passagen. Einige dieser Fragestellungen griff das Schülerlabor auf. Die Teilnehmer erhielten eine Einführung in die antike Medizin und – anhand konkreter Übungen – einen Einblick in grundlegende philologische Aufgabenbereiche wie Textkritik, Übersetzung und Kommentierung.
In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm
Im Mittelpunkt dieses Workshops stand die eigenständige Erstellung eines Artikels für das „Deutsche Wörterbuch“, dessen Neubearbeitung sich zu diesem Zeitpunkt auf die „B-Strecke“ konzentrierte. Entsprechend bekamen die Teilnehmer einige Dutzend historische Belege zu Stichworten wie „baggern“ vorgelegt, anhand derer sie die wesentlichen Bedeutungsgruppen dieser Wörter ermitteln sollten. „Baggern“ beispielsweise meint zunächst „(Erdreich) ausheben“, „etwas von unten nach oben befördern“, findet dann aber u.a. auch zur Bezeichnung der – zwischengeschlechtlichen – Kontaktaufnahme Verwendung. Wie aber hängen die beiden Bedeutungen zusammen? Auf welchem Weg wurde die übertragene aus der Grundbedeutung abgeleitet? Auf Fragen wie diese wissen auch die germanistischen Profis, die Redakteure des Wörterbuchs, nicht immer eindeutige Antworten. Dass stattdessen mehrere plausible Lösungen diskutiert werden können, macht aber, so die Erfahrung der Schülerinnen und Schüler, gerade den besonderen Reiz der Wörterbucharbeit aus.
In Zusammenarbeit mit der Kritischen Karl-Philipp-Moritz-Ausgabe
Anlässlich des 250. Geburtstages des Schriftstellers Karl Philipp Moritz (1756-1793) wurde im Rahmen eines Projekts mit dem Evangelischen Gymnasium zum Grauen Kloster die erste Staffel des „Schülerlabors Geisteswissenschaften“ entwickelt. Moritz war in jungen Jahren Lehrer am Grauen Kloster und später Mitglied der Akademie so dass sich eine Kooperation beider Institutionen zu seinem Gedenken ergab. Der Workshop widmete sich insbesondere Moritz´ Wirken als Pädagoge, Psychologe und Autobiograph. Anhand des Textes „Erinnerungen aus den frühesten Jahren der Kindheit“ erhielten die Teilnehmer einen Einblick in Methoden der biographischen Recherche und der Anfertigung eines literaturwissenschaftlichen Kommentars.
Zum Pilotprojekt des „Schülerlabors Geisteswissenschaften“ ist im Isensee-Verlag ein Dokumentarband erschienen: Karl Philipp Moritz an der Schule. Ein Projekt der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und des Evangelischen Gymnasiums zum Grauen Kloster, hrsg. von Yvonne Pauly. Oldenburg 2006, 100 Seiten.